Die vom Verein «stadt-bild-basel» erarbeitete Charta für die Stadtbildkommission (SBK).
Präambel:
Die Raumplanung dient gemäss Art. 75 BV dem öffentlichen Interesse der zweckmässigen und haushälterischen Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes. Ausfluss davon sind die Zonenordnung gemäss RPG und BPG mit den einschlägigen Bestimmungen über die Volumetrie und die Ausnützungsziffern. Das ebenfalls raumplanerische öffentliche Interesse der Wahrung und Förderung der städtebaulichen Qualität sowie der Erhaltung und Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität (§ 1 Abs. 1 lit. b und c BPG) wird im Erfordernis der guten Gesamtwirkung im Sinne von § 58 BPG weiter konkretisiert.
Es ist davon auszugehen, dass potenzielle Eingriffsmöglichkeiten in das Eigentum wie die Volumetrie und die Ausnützungsziffern als solche in der Zonenordnung zunächst einmal abschliessend geregelt sind (vgl. die vorstehend unter Ziff. 2.1 zitierte bundes- und verwaltungsgerichtliche Praxis). Dies schliesst aber einen weiteren, zusätzlichen Eingriff in ebendiese Regelungsbereiche gestützt auf § 58 BPG nicht zum vornherein aus. Auf der andern Seite ist aber auch festzuhalten, dass aus Verhältnismässigkeitsüberlegungen heraus die ästhetischen Anforderungen nicht derart hoch gesteckt werden dürfen, dass bei der Beurteilung eines Projekts nur die allerbeste von verschiedenen möglichen Lösungen zulässig wäre: Eine gewisse, aus dem Eigentum fliessende Gestaltungsfreiheit bleibt dem Bauherrn erhalten, und ein Eingriff rechtfertigt sich nur dann und nur soweit, als es für eine gute – aber eben nicht die denkbar beste – Gesamtwirkung vonnöten ist.
Die Stadtbildkommission setzt sich dafür ein, das Stadtbild zu schützen und zu fördern sowie das nachhaltige Entwicklungskonzept der Stadt zu unterstützen. Die Stadtbildkommission agiert als beratendes Gremium und nimmt ihre Aufgaben unabhängig von politischen oder wirtschaftlichen Interessen wahr.
Ziele und Aufgaben:
- Die Stadtbildkommission hat die Aufgabe, die Gestaltung von Bauten, Anlagen, Reklamen, Aufschriften und Bemalungen zu begleiten und Empfehlungen auszusprechen.
- Die Stadtbildkommission strebt danach, das historische und kulturelle Erbe der Stadt zu bewahren und zu fördern.
- Die Stadtbildkommission setzt sich dafür ein, dass die städtebaulichen und architektonischen Qualitäten der Stadt erhalten und weiterentwickelt werden.
- Die Ausübung des Gestaltungsspielraums soll einheitlich mit objektiven und grundsätzlichen Kriterien erfolgen, im Einzelfall einleuchtend begründet sein und ohne weiteres auch von Laien im Bauwesen nachvollzogen werden können.
- Die Stadtbildkommission fördert den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung, Architekten, Planern und der Öffentlichkeit.
- Die Stadtbildkommission berät die Stadt bei der Strategie städtebaulicher und architektonischer Konzepte sowie bei der Umsetzung von Bauprojekten.
- Die Stadtbildkommission informiert die Öffentlichkeit über ihre Arbeit und setzt sich für die Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger für die Bedeutung des Stadtbildes ein.
- Die Stadtbildkommission definiert also gleichsam mit ihrer ständigen Arbeit, was unter dem Begriff der guten Gesamtwirkung zu verstehen ist, sie verwaltet den Begriff inhaltlich, sie wendet ihn konkret und einheitlich an, und sie entwickelt ihn gegebenenfalls auch weiter.
- Die grossrätliche Raumplanungskommission hat in ihrem Bericht zum Entwurf des BPG ausgeführt, die gute Gesamtwirkung sei „mit Massstäben zu beurteilen, die vor der Eigentumsgarantie standhalten.
- Die in § 58 BPG verlangte gute Gesamtwirkung im Falle eines zonenkonformen Bauprojekts kann nur eingeschränkte Anwendung findet. (VGE 670/2004 vom 8. Dezember 2004 E. 3d; vgl. zur zonenkonformen ästhetischen Beurteilung BGer 1C_346/2007 vom 16. Mai 2008 E. 3.3.1; BGE 114 Ia 343 E. 4b S. 345). Mit der Zuweisung eines Gebiets in eine bestimmte Bauzone trifft die zuständige Planungsbehörde die Entscheidung, dass die dort befindlichen Grundstücke generell so bebaut werden dürfen, wie es den für die Zone aufgestellten Vorschriften entspricht. Daneben bleibt nur wenig Raum für die Abweisung von zonenkonformen Bauprojekten aufgrund ästhetischer Kriterien (VGE VD.2015.28 vom 22. September 2015 E. 3.3.1; 670/2004 vom 8. Dezember 2004 E. 3d).
- Im Übrigen sei zu beachten, dass die Ästhetikklausel im Verhältnis zur Zonenordnung eine besondere Position einnimmt. Da bereits im Rahmen der generellen Zonenplanung eine grundsätzlich verbindliche, allgemeine Wertung der zulässigen Baukörper unter städtebaulich-ästhetischen Gesichtspunkten stattgefunden hat, bleibt bei der Beurteilung zonenkonformer Aspekte eines Bauwerks nur wenig Raum für Abweisungen aufgrund von ästhetischen Überlegungen im Sinne von § 58 BPG. Die Bestimmung solle nur dann als Korrektiv eingreifen, wenn die strikte Anwendung der Zonenvorschriften zu einem aus der Sicht der Rechtsetzung offensichtlich ungewollten Ergebnis führen würde.
- Das Bundesgericht hat festgehalten, dass positive Ästhetikklauseln weiter gehen als ein blosses Beeinträchtigungs- oder Verunstaltungsverbot, bei dessen Anwendung in einem Quartier mit fehlender Einheitlichkeit und den verschiedenen Bauformen kein allzu strenger Massstab angelegt werden darf (vgl. BGE 114 Ia 343 E. 4b S. 345). Dieser Grundsatz soll durch die SBK gefolgt werden.
- Grundlage des Normengefüges ist die in Art. 26 BV verankerte Eigentumsgarantie, also das Recht, in den Schranken der Rechtsordnung nach Belieben über eine Sache zu verfügen (Art. 641 Abs. 1 ZGB). Beschränkungen des Eigentums bedürfen als Grundrechtseingriffe gemäss Art. 36 BV einer gesetzlichen Grundlage, wobei schwere Eingriffe in einem Gesetz im formellen Sinn verankert sein müssen. Sie müssen zudem durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten gerechtfertigt, und sie müssen auch verhältnismässig sein.
- Einen übermässigen Eingriff in das Eigentum soll vermieden werden.
- Das im öffentlichen Interesse liegenden Gebot des verdichteten Bauens soll unterstützt und nicht verhindert werden (Art. 1 Abs. 2 lit. b, Art. 3 Abs. 3 lit. abis RPG).
- Die Stadtbildkommission soll lediglich bei Bauvorhaben „von grosser Tragweite oder von grundsätzlicher Bedeutung“ weiterhin verbindlich Entscheide treffen können, somit bei Regionen und Bauten in der Stadt konzentrieren, in denen das historische Erbe und die Identität der Stadt am stärksten ausgeprägt sind bzw. werden:
- In der Kernzone
- am gesamten Rheinufer
- an unmittelbarer Nähe von Denkmalgeschützen Bauten, namentlich wenn sich Bauten direkt angrenzen
- bei Überbauungen über 2500 m2 BFG, sowie bei Hochhäusern
- Bei Gebieten die sich im Rahmen der Stadterneuerung (Bebauungspläne) befinden oder für künftige Entwicklungen von Bedeutung sind, in die Betrachtung miteinbezogen werden.
- Diese Standards und Richtlinien dienen als Leitfaden für die Bewertung von Bauprojekten und helfen, eine Stadt attraktiver und funktionaler zu machen. Es ist wichtig zu betonen, dass die Stadtbildkommissionen auch auf die Meinungen und Wünsche der Bürger und Planern eingehen soll, um sicherzustellen, dass ihre Entscheidungen den Bedürfnissen der Gemeinschaft entsprechen.
Zusammensetzung:
- Die Stadtbildkommission besteht aus sieben vom Regierungsrat gewählten Fachleuten insbesondere aus den Bereichen Architektur, Städtebau, Landschaftsarchitektur, Gestaltung, Wirtschaft sowie Gebäude- und Energietechnik. Der Kantonsbaumeister und der Denkmalpfleger wohnen den Sitzungen der Stadtbildkommission mit beratender Stimme bei (§ 15 Abs. 1 BPV). Die Entscheide der Stadtbildkommission sind für die Bewilligungsbehörden bei Bauvorhaben „von grosser Tragweite oder von grundsätzlicher Bedeutung“ weiterhin verbindlich (§ 16 Abs. 2 BPV).
- Die Mitglieder können für eine Amtszeit von drei Jahren ernannt werden und sind jederzeit wiederbestellbar.
- Die Stadtbildkommission kann zur Erfüllung ihrer Aufgaben Sachverständige und Gutachter hinzuziehen.
Funktion:
- Die Stadtbildkommission agiert als beratendes Gremium und gibt Empfehlungen ab.
- Die Stadtbildkommission tagt regelmäßig und dokumentiert ihre Arbeit.
- Die Stadtbildkommission wird von einem Stadtbildbeauftragten unterstützt, der als Ansprechpartner für die Stadtverwaltung und die Öffentlichkeit fungiert.
Schlussbestimmungen:
Diese Charta kann durch Beschluss der Regierung geändert werden.
25.5.2023 Verein «stadt-bild-basel»