Der Basler Architekt Alfio Frisina legt sich mit dem um­strittenen Fach­gremium an. Jetzt hat er einen Verein ge­gründet.

«Trotz Klimakrise: Basler Stadtbildkommission verhindert Fotovoltaikanlage», so berichtete die Basler Zeitung im Juni 2022 über eine ausgebremste Erneuerung eines Wohnhausdaches. Das Dach sei von der Strasse her gar nicht einsehbar, schimpfte die betroffene Wohngenossenschaft.

März 2023: Ein Alt-Grossrat darf seinen Estrich nicht mit einem Dachaufbau versehen, schrieb die bz Basel. Die einzige Begründung, die die Stadtbildkommission für das Njet geliefert hätte: «Es geht nicht».

Frisina: «Jedes Mal geht Wohnraum drauf»

Solche Beispiele kennt auch Architekt Alfio Frisina aus eigener Betroffenheit. Gleich vier davon führt er auf seiner Vereins-Plattform  «Stadt-Bild-Basel» auf. In einem Fall hätte er ein weiteres Stockwerk auf ein Gebäude setzen wollen, das von der Strasse nicht einsehbar gewesen wäre. Absage. Ein anderes Mal beurteilte die Kommission eine Fassade als «zu dominant».

Ein Eckhaus, an dem Frisina zwei Jahre lang gearbeitet habe, wurde ebenfalls abgelehnt – obwohl sich im Quartier Vergleichsbeispiele fänden. «Jedes Mal geht bei solchen Willkür-Entscheiden Wohnraum drauf», ärgert sich Frisina gegenüber Prime News, «dabei herrscht doch in Basel Wohnungsmangel».

Spätestens seit 2014, als SP-Grossrat und Anwalt René Brigger die Stadtbildkommission (SBK) in einem Vorstoss als «Oberbaubehörde» bezeichnete und deren Macht einschränken wollte, poppt das Fachgremium regelmässig in der Öffentlichkeit und in der Politik auf. Die Vorwürfe: Die Kommission habe zu viel Macht.

Ihre Kriterien, mit denen sie aufwändige, also teure Architekturprojekte ablehnte oder teilweise sinnwidrig korrigierte, seien zu undurchsichtig. Als stossend wird auch empfunden, dass Architekten andere Architekten beurteilten, also über die Gesuche ihrer Konkurrenz befänden.

Forderung: Den Einfluss der Kommission reduzieren

Nun will Frisina mit einem neuen Verein, den er im Juni gegründet hat, wieder Bewegung in die Politik bringen. «Stadt-Bild-Basel» hätten sich über 20 Personen angeschlossen, darunter über zehn Architekten und Investoren.

Seine Hauptforderungen: Der Regierungsrat müsse jene Mitglieder der SBK ersetzen, die selbst in Basel aktiv sind. Die Arbeit der SBK müsse transparenter werden und sich an öffentlich einsehbare und verbindliche Richtlinien halten.

Die dritte Forderung bezieht sich auf einen Bericht der Regierung, den diese 2020 aufgrund eines Vorstosses der grossrätlichen Bau- und Raumplanungs-Kommission erstellte. Die Exekutive schrieb: Die Beurteilung der Stadtbildkommission habe «nur noch verbindlichen Charakter, wenn sie die Schonzone oder Fälle von grosser Tragweite oder grundsätzlicher Natur betrifft.»

Frisina fordert nun, dass der Einfluss der SBK «auf das vom Grossen Rat gewünschte Mass» reduziert werde. Dies sei aktuell nicht der Fall. Im Gegenteil: «Die SBK kann selbst entscheiden, ob diese Grundsätze eingehalten sind», so Frisina.

Esther Keller stützt die Kommission

Diesen Sachverhalt bestätigt Matthias Ackermann indirekt gegenüber Prime News, der seit 2019 als Präsident der Kommission vorsteht: «Wir prüfen alle eingehenden Gesuche. Wir haben den Auftrag, die gute Gesamtwirkung der Projekte in Bezug auf ihre Umgebung sicherzustellen».

Am Ende gingen die Bescheide der Kommission, aber auch etwa der Stadtgärtnerei oder der Denkmalpflege beim federführenden Bauinspektorat ein, das die Baubewilligungen erteile – oder eben nicht. Im häufigsten Falle jedoch werde der Architekt zu einer Überarbeitung aufgefordert – sei es in einem Gespräch oder schriftlich.

Mit seinem Vorgehen befindet sich Ackermann offenbar in Übereinstimmung mit Baudirektorin Esther Keller (GLP). Auf einen Brief Frisinas antwortete sie im Juni 2023: Bezüglich der Umsetzung des parlamentarischen Willens gebe es keine Differenzen. Der Grosse Rat habe «bewusst darauf verzichtet», die Stadtbildkommission zu «entmachten», sondern habe in der Sorge um eine behutsame und verträgliche Stadtentwicklung einen Mittelweg gewählt.

Kaum Rekurse gegen Kommissions-Entscheide

Ackermann lässt auch den Vorwurf, seine Kommission arbeite nicht transparent, nicht gelten. «Zum einen bieten wir Architekten Vorabinformationen, zum anderen werden unsere Sitzungen protokolliert und die Entscheide detailliert begründet». Im Übrigen stehe der Rechtsweg offen. Dazu könne man die Entscheide bei der Baurekurskommission anfechten.

Letzteres geschieht jedoch sehr selten. Bei rund 900 Gesuchen jährlich, die die SBK beurteilt, musste die Baurekurskommission (BRK) in den Jahren 2021 und 2022 nur gerade in zehn Fällen über die fachbehördliche Einschätzung der SBK befinden. In neun Fällen wurde ihrer Einschätzung gefolgt, in einem Fall teilweise, wie die BRK auf Anfrage mitteilt.

«Die Architekturszene kuscht»

Frisina, der sein Büro in den letzten Monaten – wie er sagt – vor allem wegen Entscheiden der Kommission redimensionieren musste, belässt es in seinem Kampf nicht bei der Gründung seines Vereins.

In aufwändiger Arbeit hat er eine detaillierte «Charta» erstellt, mit der er den Wirkungskreis der Kommission greifbar machen und eingrenzen will. So soll sie ihr Augenmerk etwa lediglich auf Projekte richten, «in denen das historische Erbe und die Identität der Stadt am stärksten ausgeprägt sind»: in der Kernzone, das Rheinufer oder in «unmittelbarer Nähe von denkmalgeschützten Bauten».

Von solchen Einschränkungen will Ackermann nichts wissen. «Wir müssen jeden Fall einzeln beurteilen. Die Problemstellungen des jeweiligen Projektes lassen sich nicht einfach auf ein anderes übertragen». Man wolle kein «Rezeptbuch». Zudem bildeten etwa das Baugesetz und die Zonenordnung bereits Grundlagen.

Frisina fühlt sich in seinem Kampf zunehmend allein gelassen. Mehrfach habe er Politiker eingeladen, sich mit Berufskollegen besprochen. «Aber kaum jemand will sich aus dem Fenster lehnen – wohl auch aus Angst vor der mächtigen Kommission». Diesen Eindruck bestätigt SP-Grossrat René Brigger. «Ich kenne x-Fälle. Die Architekturszene kuscht und erwartet etwas vom Wohlverhalten. Das ist leider Fakt.»

Ein Riesenmetallbau von Herzog & de Meuron

Dass es «Stimmen» gebe, die sich über die Stadtbildkommission und ihre Befugnisse ärgerten, hat auch Prime News bei seinen Recherchen öfters gehört. Von den Angefragten äussert sich Architekt Ernst Moser – im Direktton: «Ich habe schon an vielen Orten gebaut, aber so etwas wie diese Kommission gibt es nirgends. Die haben von mir verlangt, dass ich Fenster in eine Brandmauer baue. Das ist nur ein Beispiel», schimpft der Fachmann.

Positiv dagegen das Urteil von Architekt und Fachredaktor Lukas Gruntz: «Meine Erfahrungen mit der SBK waren bislang sehr gut. Meistens sind meine Projekte durch die Einwände der SBK besser geworden».

Architektin Veronika Selig fragt: «Was wäre denn die Alternative zu dieser Kommission? Ein Richtlinien-Papier mit 5’000 Vorschriften? Das dann doch nicht vollständig sein kann?» Bei dieser Diskussion müsse man persönliche Betroffenheiten hinter sich lassen.

Probleme sieht dagegen ein Basler Investor, der nicht namentlich zitiert werden will: «Mir als Investor fehlt die Planungssicherheit, wenn ich gemäss Baugesetz investiere und mir am Ende die Stadtbildkommission 45 Quadratmeter Wohnfläche wegzwackt.»

Generell empfindet er die Arbeit der Kommission als diffus: «Wie soll ich das verstehen, dass die SBK einen Riesenmetallbau von Herzog-und-de-Meuron beim Bahnhof akzeptiert, mir aber vorschreiben will, dass ich eine Liegenschaft nicht unterkellern darf, obwohl das nie jemand aussenstehendes sehen wird.» Er fürchtet zudem ein Klima, das durch zu viele amtliche Interventionen die Kreativität hemmt.